Oskar Kruse

Der Burgherr von Hiddensee

Oskar Kruse

Oskar Kruse

Bis zu seinem 42sten Lebensjahr war Oskar Kruse (1847-1919) Kaufmann und zuletzt Besitzer eines großen Holzhofes in Berlin, ehe er sich entschloß, seinen Beruf an den Nagel zu hängen, um Künstler zu werden. Er studierte ab 1889 Malerei in Berlin, München und Paris. Es folgten einige Studienreisen durch Deutschland, England und Italien. Als er sein väterliches Erbe erhielt, nahm er sich vor, folgende Mission zu verwirklichen: Auf Hiddensee sollte eine Künstlerkolonie entstehen.
1904 hatte er hierzu ein Grundstück in Kloster erworben. Er schrieb einen Architekturwettbewerb aus und entschied sich schließlich für das Modell der beiden Architekten Otto Wilhelm Spalding (1863-1920) und Alfred Grenander (1863-1931), die ihm 1904/1905 die Jugendstilvilla „Lietzenburg“ bauten. Der Name war der Lietzenburger Straße in Berlin Charlottenburg entlehnt, in der die Kruses ihren festen Wohnsitz hatten, und wo im übrigen auch Gerhart Hauptmann (1862-1946) gelegentlich verkehrte.

Oskar Kruses Bruder Max (1854-1942), ein Bildhauer, der im Stile des NEUBAROCK und des NEOKLASSIZISMUS arbeitete, war mit der Puppenmacherin Käthe Kruse (1883-1968), deren ursprüngliche Karriere als Schauspielerin begann, verheiratet. Er schuf 1897 die berühmt gewordene Holzplastik von Gerhart Hauptmann.

Durch den Bildhauer Kruse bestand auch eine Verbindung zum Monte Verita und seinen Kolonisten, die große Lebensentwürfe schmiedeten und zum Teil verwirklichten. 1904 errichteten die „Monte Verita-Idealisten“ einige Gemeinschaftsgebäude. Ihre Gesellschaft sollte klassenlos sein und der Künstler ein Höchstmaß an Freiheit besitzen. Man erstrebte ein in landschaftlicher Schönheit entstehendes Paradies. Es sollte einen Gegenentwurf zur technisch überfrachteten Welt darstellen.

Der Schriftsteller Erich Mühsam (1878-1934), seit 1922 Gast Hauptmanns auf Hiddensee, wollte sich nahe des Lago Maggoire sogar ständig niederlassen. 1905 plante Max Kruse in der dortigen Umgebung eine Künstlerkolonie. Die da verwirklichten Ansätze sollten sich vollständig auf Hiddensee entfalten.

Jeweils in den Sommermonaten versammelte Oskar Kruse auf der Insel einen Kreis von Schriftstellern und Malern um sich. Zu den bekanntesten Gästen zählte der Theaterregisseur Max Reinhardt (1873-1943), der die Insel regelmäßig besuchte. Gemeinsam mit dem Bildhauer Kruse, der für ihn als Bühnenbildner arbeitete und zum Erfinder des Rundhorizonts wurde, realisierte der Intendant des Berliner Deutschen Theaters die SALOME von Oskar Wilde.

Durch Holz reich geworden, hatte der Maler Kruse die rote Burg mit den weiten Bögen auf den Berg bauen lassen. Aller Grund ringsum gehörte ihm. Aber kein Zaun sperrte das Grundstück von anderen ab, keine Tafel verbot das Betreten. Weißbärtig und blauäugig nahm er langsam das Gesicht eines Fischers an. So blieb er unerkannt inmitten der tausend Ausflügler.

Oskar Kruse besaß die Gabe, wunderbare Geschichten erzählen zu können. Er schöpfte sie aus seiner verspielten, unergründlichen Phantasie. Abends saß er gern vor seinen Gästen im Lehnstuhl und erzählte seine Geschichten. Unwirkliches vermischte sich mit Groteskem. Die Zuhörer gerieten immer tiefer in seinen Bann und lauschten stundenlang diesen ironischen, märchenhaften, grausigen Geschichten. Unverfroren fing er offen an zu lügen, ließ seiner Phantasie freien Lauf. Er wurde zu einem neuen Münchhausen. Von einem Fieber gepackt, konnte er nicht mehr aufhören, Geschichten zu erfinden. Zum Abschied brachte er seine Gäste mit einer Laterne an die große Steintreppe, die zurück ins Dorf führt.

Oskar Kruse wurde von der Hiddenseer Bevölkerung akzeptiert und liebevoll „Onkel Os“ genannt. Er war in vielen Dingen des Lebens unkonventionell und mochte Komfort.
Am 10. August 1919 starb er auf Hiddensee, allerdings nicht in der „Lietzenburg“, sondern im benachbarten Gutshof „Haus am Meer“, weil dort die Versorgung und auch die Betten bequemer waren.

Bis in die dreißiger Jahre bildete die „Lietzenburg“ durch Familie Kruse eines der geistigen Zentren der Insel. Im Jahr 2000 veräußerte der Neffe, Schriftsteller und Kinderbuchautor Max Kruse (*1921) als Erbe des Erbauers, die „Lietzenburg“, verbunden mit dem Wunsch, die erforderliche Sanierung des Gebäudes mit einem künstlerischen Nutzungskonzept zu verknüpfen.