Fayencen
Ton vom söten Länneken
Kaufmannssohn Joachim Ulrich Giese (1719-1779) hatte vom Vater das kaufmännische Geschick und von der Familie der Mutter die Neigung zur Kunst und zum Kunstgewerbe geerbt. Auf einer längeren Reise durch Holland erregten holländische Fayencen sein Interesse.
Während Gieses Vater im kleineren Handel Vermögen erwarb, widmete sich der Sohn größeren Unternehmungen und eröffnete in Stralsund bald ein großes Bankkontor. Das erworbene Vermögen legte Giese in Grundbesitz an und durchforschte die Insel Hiddensee nach industriellen Ausbeutungsmöglichkeiten. Dabei wurde an der Nordwestküste Ton entdeckt, welcher sich als brauchbar für die Herstellung von Fayencen erwies.
Im Jahre 1754 kaufte der schwedische Kammerrat die ganze Insel Hiddensee. Er begann, an der Steilküste des Dornbusch Ton abzubauen. In seiner neu errichteten Stralsunder Fabrik ließ er diesen zu Fayencen verarbeiten. Den Ton entnahmen Arbeiter nahe der Hucke, dem nordwestlichen Teil der Steilküste. Sie schafften Tonerde heran, reinigten und verarbeiteten sie. Diese Arbeit ernährte über hundert Menschen. Der Bedarf an Keramik war damals sehr groß. Fayencegeschirr brachte guten Absatz, denn die Porzellanherstellung war noch nicht sehr weit verbreitet.
Luxusware in vollendeter Form wurde fabriziert. Jedoch mußte das Unternehmen nach einigen Jahren aus wirtschaftlichen Gründen wieder aufgegeben werden. Im Heimatmuseum Hiddensee und im Kulturhistorischen Museum Stralsund befinden sich Muster der alten Fayencen.
Im Hiddenseer Herrenhaus der Gieses waren die Wände eines Zimmers komplett mit Fayencekacheln bekleidet, bemalt mit Vogel- und Schmetterlingsmotiven. Einen alten Kachelofen, wahrscheinlich hergestellt in der Stralsunder Fayencefabrik, kaufte der Maler Oskar Kruse (1847-1919), um ihn in seiner 1903/1904 errichteten „Lietzenburg“ im Schlafzimmer aufzustellen.
Der Siebenjährige Krieg erzwang ein Stocken im Vertrieb der Erzeugnisse. Die finanziellen Verhältnisse der Gieses wurden durch den Krieg ebenfalls stark beeinträchtigt. So war es nur eine Frage der Zeit, wann das Fayencengeschäft aufgelöst werden mußte.
Das Bestehen der Stralsunder Fayencefabrik fiel in etwa mit dem Zeitalter des Rokoko zusammen. Lebenslust, Beweglichkeit und Verspieltheit dieser Zeit spiegelte sich in den Fabrikaten wider.